Eine Illustration des SAMR-Modells von Puentedura

Nachdem ich meine Fassung der Illustration des SAMR-Modells von Puentedura bereits vor einiger Zeit zur Diskussion gestellt hatte, habe es endlich geschafft, eure Anregungen und meine davon inspirierten Gedankengänge in die Überarbeitung der Grafik zu packen und darf sie nun nicht ganz ohne Stolz präsentieren.

Die Arbeit an dieser Grafik begann mit der Frage von Axel Krommer (@mediendidaktik), ob ich mich nach der Illustration des 4K-Modells nicht auch an das SAMR-Modell von Puentedura machen wolle. Die passende Verkehrsmittel-Metapher hatte er in seinem vielfach zitierten Artikel „Welchen Mehrwert haben digitale Medien für das schulische Lernen?“ gleich mitgeliefert:

„Wer in einer Gesellschaft lebt, in der die Postkutsche das schnellste Verkehrsmittel darstellt, kommt gar nicht auf die Idee, zum Einkaufen von Nürnberg nach München zu fahren, während dieses Reiseziel für einen Bahnfahrer mit dem ICE durchaus in Reichweite liegt.“

Axel Krommer: Welchen Mehrwert haben digitale Medien für das schulische Lernen? [Zum Artikel]

Also machte ich mich ans Werk und entwarf die erste Fassung, die ich in einem früher (und mittlerweile zur Vermeidung von Verwirrung gelöschten) Blogpost bzw. im zugehörigen Tweet zur Diskussion gestellt habe.

Bevor ich also ein paar Gedanken zur grafischen Umsetzung verliere und dann doch mal erkläre, was die Zeichnerin damit ausdrücken möchte, möchte ich eine große Portion Dank über allen ausschütten, die sich mit konstruktivem Feedback beteiligt haben:

Dass ich das Modell überarbeiten wollte, hatte ich auf der ToDo-Liste, die momentan mal wieder mit gar grässlichen Ausmaßen aufwarten kann, etwas weiter nach hinten geschoben. Als ich es am Freitag dann benötigte, um etwas daran zu erklären, wurde ich daran erinnert, dass ich das ja eigentlich vorgehabt hatte. Besonderer Dank gilt also außerdem meinen Kolleginnen S. und H., die dem Modell zu einer ersten Prüfung im analogen Lehrerzimmer verholfen haben, mir geduldig zuhörten und der Grafik die Praxistauglichkeit bescheinigten. 😉

Nachdem ich die Arbeit an dieser Illustration nach der Ãœberarbeitung als abgeschlossen betrachten möchte #aufzuneuenAbenteuern, ist es an der Zeit, ein paar erklärende Worte darüber zu verlieren, warum ich das SAMR-Modell in dieser Form illustriert habe.

Während ich beim Zeichnen zunächst von Axel Krommers Verkehrsmittel-Metapher ausging und eher intuitiv auf das Bild der Landkarte zurückgegriffen habe, ergab sich während der Arbeit mit der Illustration eine Ausweitung des metaphorischen Rahmens, denn das SAMR-Modell muss ja eigentlich im weiten Kontext des Lernens und der Bildung betrachtet werden: Mögen die Verkehrsmittel durch die Darstellungsform und die Legende auch besonders ins Auge stechen, ist es umso wichtiger, den Rahmen der Landkarte zu reflektieren, um die Digitalisierung adäquat einordnen zu können.

Landkarten.

Die Grundlage bildet eine fiktive Landkarte, auf der zwei Inseln (oder sind es doch Kontinente?) und ein sie trennendes Meer sowie ein Kompass eingezeichnet sind. Weil ich befürchte, dass dieser Aspekt im Hintergrund verschwindet und nicht weiter bedacht wird, während man damit beschäftigt ist, die Rolle der Fortbewegungsmittel im Vordergrund zu bedenken, sollten wir unbedingt mit diesem Rahmen beginnen.

  • Die der Karte zugrundeliegende Welt ist das Wissen, das sich der Lernende erwerben kann.
  • Bildung ist die Reise des Lernenden. Das Lernen besteht aus den Erfahrungen, die der Lernende während dieser Reise macht.
  • Weil der Lernende Orientierung in diesem weiten Raum braucht, wird er zum Kartografen, der die Welt auf Basis des vorhandenen Materials, vor allem aber anhand seiner eigenen Erfahrungen im Raum in Kartenform darstellt.

Nur zu leicht sitzen wir der Illusion auf, dass Karten ein exaktes Abbild der Wirklichkeit darstellten, denn aufgrund des technischen Fortschritts ist dies mittlerweile vergleichsweise problemlos möglich. Betrachten wir im Vergleich damit beispielsweise eine mittelalterliche Weltkarte wie die Ebstorfer Weltkarte, wird deutlich, dass Karten nicht automatisch eine Abbildung sind, die mit der vermessbaren Wirklichkeit übereinstimmen. Wer eine Karte zeichnet, muss sich auf das vorhandene Material und seinen Erfahrungsschatz verlassen, er wird eine Perspektive wählen, die seinem Ansinnen angemessen ist und möglicherweise wird er dabei einzelne Aspekte über andere stellen, weil sein Anliegen beim Zeichnen ausschlaggebend für die Darstellung ist.

„Eine Karte kann ihren Betrachter bis an den Rand der Terra incognita führen und ihn dort verunsichert stehen lassen. Nur mit dem schlichten Vermerk ‚Standort‘ kann sie einem aber auch dieses beruhigende Gefühl vermitteln, das sich einstellt, wenn man weiß, wo man ist“ 1 schreibt Dava Sobel im Vorwort zu Simon Garfields „Karten! Ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen und Berge, die es nie gab“ und verdeutlicht damit, dass eine Karte allein noch keine Reise macht: Nur wer über die nötigen Fähigkeiten der Navigation verfügt, wird in der Lage sein, seinen Weg mit Hilfe der Landkarte zu finden. Ganz gleich, welche Reise wir mit welchen Fortbewegungsmitteln antreten wollen, werden wir sie also dann umso erfolgreicher planen können, wenn wir in der Lage sind, uns zu orientieren.

Reisen.

Ein weiterer charakteristischer Zug des Reisens in der modernen Welt ist es, dass wir es häufig mit Zielgerichtetheit verbinden: Weil wir auch für die entlegensten Ziele auf diesem Globus nur in ein Flugzeug zu steigen brauchen, betrachten wir diesen Teil unseres Urlaubs häufig eher als notwendiges Ãœbel denn als spannende Erfahrung.

Das Verständnis vom Reisen, das ich mit dieser Illustration in Verbindung bringen möchte, basiert also eher auf Konfuzius‘ berühmtem Ausspruch „Der Weg ist das Ziel“ und lässt sich wahrscheinlich am ehesten mit der Vorstellung von einer Backpacking-Tour bildlich beschreiben:  Bildung wird nicht allein durch Fortbewegung erworben, sondern durch den Blick aus dem Fenster auf die Landschaft, das Aussteigen aus einem Verkehrsmittel und das Umherwandern, das genaue Hinsehen und das Wahrnehmen des Neuen mit allen Sinnen.

Von Skateboards und Raketen

Widmen wir uns nun der Verkehrsmittel-Metapher, denn auch dem Zitat, aus dem sie stammt, liegt eine gewisse Fortschrittsorientierung zugrunde: Statt mit der Postkutsche mit dem ICE zu reisen, bedeutet zunächst eine enorme Ausweitung des Erfahrungsraums, die ich mit der Rakete, die den Rahmen der Landkarte verlässt, verbildlichen wollte. Die digitalen Medien schaffen – das steht außer Frage – vollkommen neue Möglichkeiten für den Unterricht, mit ihrer Hilfe können gewohnte Strukturen ausgeweitet und bisherige Grenzen gesprengt werden. Genau das ist es, wofür wir digitalisierungsbegeisterten KuK im Twitterlehrerzimmer werben wollen: Für die Nutzung des Potenzials der digitalen Medien zugunsten einer Vergrößerung unserer methodisch-didaktischen Wahlmöglichkeiten.

Deswegen habe ich versucht, die Verkehrsmittel so zu wählen, dass die Ausweitung des Bewegungsradius deutlich wird:

  • Ohne Medieneinsatz sind wir – so scheint es – Fußgänger. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn wir können schleichen, gehen, laufen und sprinten und vielleicht können wir sogar schwimmen. Es dauert halt nur etwas länger, bis wir ein Ziel erreichen. Aber so unscheinbar dieses Strichmännchen erscheint, muss es doch bei allen anderen Fortbewegungsmitteln mitgedacht werden, denn die Karte kann erst entstehen, wenn es seine Reise aufzeichnet.
  • Skateboard: Das Skateboard wird durch Muskelkraft angetrieben („keine funktionale Änderung“) und ein bisschen schneller geht es damit schon…das kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Radius gar nicht so stark vergrößert hat, wie es scheint.
  • Auto: Ein Auto hat einen Motor („funktionale Verbesserung“), was unseren Bewegungsradius erheblich ausweitet. Ins Wasser können wir damit aber noch lange nicht…
  • Motorboot: Da es auch mit einem Motor ausgestattet ist, hat es mit dem Auto einiges gemeinsam und gleichzeitig sind beide für vollkommen unterschiedliche Arten der Reise geeignet. Die „beachtliche Neugestaltung von Aufgaben“ soll  durch die Ozeanüberquerung ausgedrückt werden.
  • Rakete: Die Rakete gestattet die Entdeckung des Universums beziehungsweise vielleicht sogar neuer Galaxien.
    • Werde ich nach Beispielen für diese Modellebene gefragt, verweise ich gerne auf das, was durch den im Folgenden zitierten Tweet ausgedrückt wird:

Mit der Rakete zum Bäcker

Das SAMR-Modell wird vor allem dann gern zitiert, wenn auf Potenziale der digitalen Bildung aufmerksam gemacht werden soll und dafür ist es sicherlich auch sehr gut geeignet. Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf eine Problematisierung hinweisen, die im Zuge der Toolifizierungs-Debatte #palliativeDidaktik anklingt und die ich auch in meiner Darstellung zu berücksichtigen versucht habe:  Über die Fortbewegungsmittel zu verfügen, erweitert unsere Möglichkeiten und schafft neue Erfahrungsräume. Gleichzeitig steht Bildung – und dies wird hoffentlich auch in Zukunft so sein – nicht traditionslos und unverbunden nur auf den tönernen Füßen der Gegenwart. Wie Dominik Schöneberg in seinem Post „Humboldt 2.0? – Klassische Bildung in der digitalen Welt“ eindrucksvoll belegt hat, sollten wir unsere Landkarte auch in dieser ungewissen Zukunft auf dem aufbauend zeichnen, was sich über Jahrhunderte als Bildungsgut bewiesen und damit einen Wert gewonnen hat, den eine reine Fokussierung des Neuen zunichtemachen würde.

Im Bild gesprochen: Wollen wir reisen, wollen wir lernen und Lernprozesse anstoßen, wird es auch und gerade darauf ankommen, den Weg in den Blick zu nehmen, immer wieder am Ausgangspunkt mit der Planung zu beginnen und dafür die richtigen Verkehrsmittel auszuwählen. Wir werden hoffentlich nie in die Verlegenheit kommen, den Weg zum Bäcker mit einer Rakete anzutreten und ebenso sollten wir trotz aller Vorteile der digitalen Medien und Tools immer wieder abwägen, ob sie zum Erreichen unseres Ziels sinnvoll und notwendig sind. Wir sollten vom Skateboard ab- und aus dem Auto aussteigen oder vom Motorboot ins Meer springen, um Erfahrungen zu machen, für die wir einfach nur die physischen Kräfte des „Fußgängers“ brauchen. Denn egal, welches Fortbewegungsmittel wir nutzen: Die Karte, mit der wir uns auf dem weiten Feld der Bildung orientieren, können wir nur aus dem zeichnen, was wir beim Reisen wirklich gesehen und erlebt haben.

Im Bild gesprochen: Wollen wir reisen, wollen wir lernen und Lernprozesse anstoßen, wird es auch und gerade darauf ankommen, den Weg in den Blick zu nehmen, immer wieder am Ausgangspunkt mit der Planung zu beginnen und dafür die richtigen Verkehrsmittel auszuwählen. Wir werden hoffentlich nie in die Verlegenheit kommen, den Weg zum Bäcker mit einer Rakete anzutreten und ebenso sollten wir trotz aller Vorteile der digitalen Medien und Tools immer wieder abwägen, ob sie zum Erreichen unseres Ziels sinnvoll und notwendig sind. Wir sollten vom Skateboard ab- und aus dem Auto aussteigen oder vom Motorboot ins Meer springen, um Erfahrungen zu machen, für die wir einfach nur die physischen Kräfte des „Fußgängers“ brauchen. Denn egal, welches Fortbewegungsmittel wir nutzen: Die Karte, mit der wir uns auf dem weiten Feld der Bildung orientieren, können wir nur aus dem zeichnen, was wir beim Reisen wirklich gesehen und erlebt haben.

Literatur

Sobel, Dava: Aus Liebe zu den Karten, in: Garfield, Simon: Karten! Ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen und Berge, die es nie gab, Darmstadt (WBG) 2017, S. 9-13.


Kommentare

Eine Antwort zu „Eine Illustration des SAMR-Modells von Puentedura“

  1. […] Innerhalb der Referendarsausbildung ist es noch vergleichsweise einfach, Expertise mit klaren Inhalten zu verbinden: Wer heute in der Lehrerausbildung ist, trifft beispielsweise automatisch auf Hilbert Meyer und Hattie, wer sich aktuell mit Digitalisierung beschäftigt auf die 4K und das SAMR-Modell.  […]

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