#GamifyingHistory: Ein Ständegesellschafts-Trumpfquartett

tl;dr Ich habe ein Trumpfquartett zur Ständegesellschaft entworfen, welches ich hier mit euch teilen möchte. Wenn du selbst gestalterisch aktiv werden möchtest, findest du unter den Downloads auch eine Vorlage.

Lasset die Spiele beginnen! ?

Noch wissen sie nichts von ihrem Glück, aber in der nächsten Woche sollen meine Siebtklässler:innen in PuG (Geschichte/Politik und Gesellschaft) damit beginnen, Themen aus dem Lernbereich Mittelalter in Gesellschaftsspiele umzusetzen. Nachdem die letztjährige Siebte das Mittelalter in einer LdL-Sequenz kennengelernt hat, welche von den Schüler:innen zuverlässig vorbereitet wurde und die damit insgesamt trotz zwischenzeitlicher Umstellung auf Distanzunterricht ganz gut gelaufen ist, soll es doch in diesem Jahr ein bisschen anders laufen, denn wenn ich ganz ehrlich bin, will ich mich in meinem Unterricht ebenso wenig langweilen wie die Kinder – und was könnte langweiliger sein als 1:1-Wiederholungen?! ?

Zwar hänge ich gerade sehr an der Idee, mehr Computerspiele im Unterricht einzusetzen und die ein oder andere Idee steht schon auf der ToDo-Liste (z.B. Alba – A Wildlife Adventure für Deutsch oder Predynastic Egypt für PuG in der 6. Jahrgangsstufe), meine Skills in Crusader Kings III sind allerdings bei Weitem noch nicht ausgereift genug, um daraus eine Sequenz zu basteln.

Ganz abgesehen davon, dass ich mir trotz „FSK 12“-Freigabe nicht ganz sicher bin, ob es nicht ein bisschen *zu* oft um Mordkomplotte und untreue Ehefrauen geht… Aber das ist offensichtlich eine andere Geschichte…

Weil man ja glücklicherweise nicht nur mit flimmernden Kisten, sondern auch mit Karten, Würfeln und Spielfiguren zocken kann, sollen es nun also ganz analoge Spiele werden.

Spätestens seit dem Sportunterricht weiß ich, dass man als Lehrkraft gerne mal aufgefordert wird, das, was man von den Schüler:innen erwartet, selbst vorzumachen – sicherlich nicht zu Unrecht. ? Weil „selber machen“ nicht nur bedeutet, dass man selbst unter Beweis stellt, dass man die eigenen Arbeitsaufträge erfüllen kann, sondern auch, dass man die Gelegenheit ergreift, den Prozess vorab zu durchlaufen, um wichtige Tipps geben zu können, habe ich das Thema „Ständegesellschaft“, das wir bereits gemeinsam besprochen haben, als Trumpfquartett umgesetzt, welches mir in diesem Jahr als Beispiel dienen wird, im nächsten aber als völlig andere Lerngelegenheit eingesetzt werden könnte.

Fachliche Anmerkungen

  • Wahl des Spielprinzips: Bei Trumpfquartett-Spielen geht es darum, wer in bestimmten Eigenschaften stärker ist als andere, das trifft auch auf die mittelalterliche Gesellschaft zu.
  • Trumpfkategorien: Die Bildung von Kategorien war sicherlich eine der schwierigeren Aufgaben bei der Erstellung. Letztlich habe ich mich mit Macht & Reichtum, Frömmigkeit, Lebensdauer, Bekanntheitsgrad und Rechtschaffenheit für Schlagworte entschieden, die sowohl für die mittelalterliche Gesellschaft als auch für heutiges Publikum nachvollziehbar erscheinen und die es ermöglichen, (fast) allen Figuren auf den Karten Werte zuzuordnen.
  • Personenauswahl: Setze ich das Spiel im Unterricht ein, findet nicht nur Lernen, sondern auch Unterhaltung statt. Damit die Schüler:innen sich dennoch auch mit den (sehr kurzen) Infoboxen auseinandersetzen, habe ich mich beispielsweise durch die Karten Päpstin Johanna (Legende) oder Gozmar III. von Ziegenhain (der beim Erfurter Latrinensturz starb) durchaus auch mal nicht für die realistischsten oder bekanntesten Vertreter eines Standes entschieden, sondern für solche, die in den Augen der Jugendlichen kleine „Fun Facts“ bereithalten. Wäre bei den Kaisern und Königen noch ein wenig Platz gewesen, hätte ich auch gerne noch Wenzel den Faulen untergebracht… ?
  • Subjektivität: Die Punktzahlen in den einzelnen Teilbereichen bleiben letztlich immer ein Stück weit subjektiv.
    • Das hängt einerseits damit zusammen, dass sich keiner von uns bei der Beurteilung der Rechtschaffenheit historischer Persönlichkeiten von der eigenen Perspektive, die durch die Gegenwart geprägt wird, freimachen kann. Wiegt beispielsweise die Kreuzzugsteilnahme schwerer als der Karlmannmord und der Umgangs Karls des Großen mit den Sachsen? Was ist mit Ketzerverfolgung bei gleichzeitigem Predigen von Nächstenliebe? Auch was die Bekanntheit betrifft, können Meinungen weit auseinandergehen, weil sich Zeitebenen vermischen: Während Gozmar III. von Ziegenhain heute im Gegensatz zu Karl dem Großen kaum jemandem ein Begriff sein dürfte, war er doch – verglichen mit den Freibauern und Rittern – zumindest in seinem Herrschaftsgebiet zur damaligen Zeit wohlbekannt.
    • Dadurch, dass es sich um einen Längsschnitt durch Früh-, Hoch- und Spätmittelalter handelt, hakt es natürlich auch gelegentlich mit der Vergleichbarkeit: Daten zur genauen Bezifferung von Vermögen beispielweise sind weder für alle Figuren vorhanden, noch ist es mir möglich, diese mit wissenschaftlich fundierten Faktoren umzurechnen.
    • Materialquellen: Aus Effizienz- und Lizenzgründen (gemeinfreie Bilder, CC-Lizenzen für OER) habe ich überwiegend mit der Wikipedia gearbeitet.
  • All das ist aus meiner ganz persönlichen Sicht kein Makel, sondern ein übliches Merkmal didaktisch reduzierten Unterrichtsmaterials. Macht man die Problematisierung dieser Kategorien zum Arbeitsauftrag für die Schüler:innen, wird mit den Karten nicht nur die Ständegesellschaft nachgespielt, sondern sie können auch einiges über die Eigenheiten historischer Urteile lernen.
    • Gerade dann, wenn sie selbst Spiele entwickeln sollen, werden sie schnell – nämlich bei der Auswahl des Spielprinzips – an einen Punkt kommen, der Reduktion zwingend erforderlich macht. Das zu thematisieren halte ich für weit wertvoller als sie in der Illusion der Vollständigkeit oder absoluter Urteile zu lassen.

Danke!

Ein riesiges Dankeschön geht an Kai Wörner @woe_real, der so nett war, mir Feedback zum Endprodukt zu geben, sodass das Ergebnis dank des Vier-Augen-Prinzips ein riesiges Stück objektiver geworden ist! ?

Durch solche spontanen & hilfreichen Angebote aus der #twlz-Bubble kann #OER nicht nur für „kostenlos“, sondern auch für Qualität stehen. ?

Downloads

Einsatzmöglichkeiten

Wie das Quartett erstmalig zum Einsatz kommen soll, habe ich bereits oben beschrieben. Den Arbeitsauftrag zum Projekt siehst du rechts bzw. kannst du weiter unten auf der Seite herunterladen.

Die Kommentare unter den Tweets [1], [2] zum Ständegesellschafts-Quartett verheißen bereits, dass das nicht die einzigen Möglichkeiten sind, wie es didaktisch sinnvoll verwendet werden kann, z.B.

  • als modulares Quartett für historische Längsschnitte zu Frauen/Herrschenden/Kunstschaffenden in verschiedenen historischen Epochen
  • (wie oben erwähnt) zur Problematisierung von Vergleichen historischer Persönlichkeiten bzw. Kategorisierungsprozessen
  • als Anlass für biographische Recherchen und Persönlichkeitsporträts

Sollte das Ständegesellschaftsquartett also auch in *deinem* Unterricht zum Einsatz kommen, würde ich mich sehr über einen Kommentar von dir freuen, wie und in welchem Kontext du es verwendet hast. Gerne verweise ich natürlich auch mit Links auf Ergänzungen und Weiterentwicklungen – ich muss nur davon wissen, dass es sie gibt. ? (Kontakt auch gerne per Mail)

Downloads

Den Arbeitsauftrag für das Erstellen von Gesellschaftsspielen zum Themenbereich Mittelalter als


Kommentare

3 Antworten zu „#GamifyingHistory: Ein Ständegesellschafts-Trumpfquartett“

  1. Moin, herzlichen Dank für die Arbeit und die downloads. Fantastische Arbeit!

    1. Danke für die Blumen, sehr gerne! ?

  2. Hi, ich schau wahnsinnig gern immer wieder auf deine Seite. Deine Ideen sind klasse und vielen Dank, dass du das Material zur Verfügung stellst. Ich glaube meine nächste Klasse wird sich endlich mal über die Ständegesellschaft freuen 😉 liebe Grüße

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